Ich weiß, was Sie wollen. Sie wollen eine Geschichte, die Sie nicht überrascht. Eine, die Ihnen bestätigt, was Sie schon wissen. Eine, die Sie nicht weiter und nicht tiefer blicken lässt, eine, die Sie nicht mit neuen Augen betrachten müssen. Sie wollen eine zweidimensionale Geschichte. Eine leblose Geschichte. Die Dürre der Wirklichkeit, in der keine Saat aufgeht.
— Die Figur Pi Patel in Yann Martels Roman Schiffbruch mit Tiger
Es ist eine erstaunliche Unwahrscheinlichkeit, daß wir auf der Erde leben und Sterne sehen können, daß die Bedingungen des Lebens nicht die des Sehens ausschließen oder umgekehrt. Denn das Medium, in dem wir leben, ist einerseits gerade dicht genug, um uns Atem holen und nicht in Strahlung aus dem All verbrennen zu lassen. Andererseits ist dieses Medium nicht so trübe, daß das Licht der Sterne vollends verschluckt und jeder Ausblick auf das Universum versperrt würde. Welche fragile Balance zwischen dem, was notwendig, und dem, was erhaben ist.
— Hans Blumenberg

Leitlinien meiner Arbeit

Das Buch der Schrift und das Buch der Natur (Augustinus) mit einem besonderen Augenmerk auf Tiefenstrukturen und Schönheit zu lesen und zu verbinden, bildet die Grundlage für meine Vision, die mich in Predigt und theologischer Arbeit leitet.

Aus dem Schöpfungsfenster der Martinskirche Gladenbach

 

Im Buch der Natur, und vielleicht besonders am Firmament, erleben wir das Staunen und Wundern. Erhabenheit, die unsere Geschäftigkeit unterbricht und einen tieferen Sinn vermittelt. Wer wie Abraham horizontal und vertikal in die Weite blickt, kann dabei immer wieder Momente einer besonderen Berührung mit dem Ewigen erleben. Sei es die unfassbare Geschichte des Lebens, an deren Ende wir als denkende Menschen stehen oder der Blick in die uferlose Bühne an Raum und Zeit, der sich uns von unserem kleinen blauen Standpunkt im All aus bietet. Beides macht uns die Herrlichkeit des Schöpfers groß und unsere mangelhaften Gottesbilder klein. Wie damals, unter dem Sternenhimmel Kanaans, kann durch diesen Blick, den uns heute die Naturwissenschaft in immer tiefere Regionen ermöglicht, auch Glauben anfangen zu wachsen. Der Glaube des Psalms 19, der in der göttlichen Weisheit hinter der Schöpfung auch eine Weisheit erblickt, der man getrost das ganze Leben anvertrauen kann. Ein Leben auf einem Staubkorn, irgendwo in einem Spiralarm einer von Milliarden Galaxien, und doch von Gott gesehen und gehört.

Im Buch der Schrift begegnet uns die großartige und die verschiedenen Epochen der Menschheit umspannende Geschichte Gottes mit seinen Leuten – teils in uralten Erzählungen, die im Orient am Lagerfeuer von Mund zu Ohr gelaufen sind, teils in Liedern und Gebeten, teils aber auch in Erfahrungsberichten von der Nachfolge der Jünger Jesu auf den staubigen Straßen Galiläas und Judäas. Was für ein Schatz, mit dem wir als Kirche noch heute und in Zukunft leben und überleben. Diese Geschichten beleuchten unsere Existenz, wie Kirchenfester, die diese Szenen abbilden und farbigen Glanz auf die werfen, die sich in die Mitte dieser Story setzen. Es ist eine schöne Aufgabe, jene Fenster in der Predigt immer wieder zu beschreiben und zum Leuchten zu bringen. Einerseits also den Glanz freizulegen und Freude daran zu wecken, Teil dieser großen Geschichte zu sein, andererseits zu helfen, dass das farbige Licht unseren Weg aber auch die dunklen Bereiche unseres Lebens erhellen kann.

 

Trilobit, ca. 400 Millionen Jahre

Tarantelnebel (NASA, ESA, CSA, STScI)